Chronik des deutschen Bergbaus
- Mit dem Schweinejungen an der Ruhr fing es an
- Laut Sage fand ein Junge beim Schweinehüten an der Ruhr schwarze, brennbare Steine.
- 1834 – Erster Tiefbauschacht
- Franz Haniel durchbohrt den Mergel.
- 1956 – Der Höhepunkt
- 480.000 Beschäftigte im Bergbau.
- 1958 – Erste Zechenschließung
- Da viele Tausend Tonnen Kohle nicht verkauft wurden, beginnt die drohende Kohlekrise und der damit verbundene "Zechensterben".
- 1967 – Steinkohlenbergbaukrise
- Von 173 Zechen haben mehr als 100 geschlossen.
- 1968 – Gründung der RAG
- Die Ruhrkohle AG wurde am 27. November 1968 als zukünftiger Gesamtgesellschaft des Ruhrbergbaus gegründet.
- 1973 – Ende des letzten Pütts in Bochum
- Hannover/Hannibal, die letzte Zeche in Bochum, wird geschlossen.
- 1980
- Nur noch 40 Zechen übrig.
- 1984
- In England werden unrentable Zechen geschlossen.
- 1986 – Zeche Zollverein
- Die letzte Zeche in Essen schließt.
- 1997 –Band der Solidarität
- Rund 220.000 Menschen vom Niederrhein bis Westfalen schließen sich am 14. Februar 1997 dem 93 Kilometer langen "Band der Solidarität" an, um für den Fortbestand des deutschen Kohlebergbaus zu protestieren.
- 2007 – Gründung RAG-Stiftung
- Ende des Bergbaus beschlossen.
- 2008 – Nur noch fünf Zechen übrig
- Schließungen der Zechen Walsum in Duisburg, Lippe in Gelsenkirchen und Ost in Hamm.
- 2011
- Bundestag streicht Revisionsklausel.
- 2012
- Letzte Zeche im Saarland schließt.
- 2018
- Schließung der letzten Zechen Ibbenbüren und Prosper.
Kapitel 2
Von der Staublunge zur grünen Lunge: Das Ende der deutschen Steinkohle
Beim Stichwort Steinkohlenbergbau denken heute viele sofort an eine Industrie im Niedergang. Bergmänner sind selten geworden. Das war nicht immer so. Jahrzehntelang war Steinkohle der Motor der deutschen Industrie. Sie gab Menschen Arbeit, zog Tausende in die Städte an Ruhr und Emscher. Mit ihr kamen Kokereien, Stahl- und Kraftwerke.
Schon im Mittelalter wird im heutigen Ruhrgebiet Kohle gefördert. Mehrere hundert Jahre lang wird der Abbau immer weiter professionalisiert. Und auch als Dortmund und Essen im 2. Weltkrieg zu einem Zentrum der deutschen Waffenindustrie werden, geschieht das auf Basis des Rohstoffs Steinkohle. Als die Wehrmacht auch Bergleute einzieht, sollen Zwangsarbeiter die Produktion sichern. Wegen alledem fliegen die Alliierten massive Luftangriffe auf die Industrieanlagen. So liegen große Teile des Ruhrgebiets bald in Schutt und Asche.
Doch auch und gerade nach 1945 spielt der Ruhrbergbau eine wichtige Rolle. Mit Kohle wird der Wiederaufbau befeuert; sie steht für Energie und Mobilität. Das Wirtschaftswunder basiert auch auf dem schwarzen Gold, die Politik fördert den Steinkohlenbergbau.
1957 ist der Höhepunkt erreicht: Deutschlandweit arbeiten rund 607.000 Menschen im Steinkohlenbergbau, allein im Ruhrgebiet sind es beinahe 500.000. Im ganzen Land werden 150 Millionen Tonnen Kohle gefördert; 82 Prozent davon im Ruhrgebiet, der Rest aus dem Saarland, Aachen und Ibbenbüren.
Um die Nachfrage bedienen zu können, hatten die Unternehmen gezielt Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben – aus Italien, Griechenland und Spanien, später auch aus der Türkei, Tunesien und dem damaligen Jugoslawien.
Die sogenannten Gastarbeiter fahren nun mit unter Tage. Die Arbeit hier ist hart und gefährlich. Typische Bergarbeiter-Krankheit ist die Staublunge10. Die Schornsteine rauchen, Smog und Schmutz setzen sich in den Straßen ab. Studien zeigen den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und bestimmten Krankheiten. Spätestens jetzt hat der Pott seinen Ruf weg. 1961 fordert der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“
Dann kommt die Kohlekrise
In den 1960er Jahren bricht der Absatz der deutschen Steinkohle ein. Erdöl gewinnt immer mehr an Bedeutung, Atomenergie und Erdgas drängen zusätzlich in den Markt. Außerdem bringen immer größere Schiffe mehr billige Kohle aus dem Ausland nach Deutschland. Deutsche Steinkohle hingegen ist teuer – vor allem, weil sie hier so tief unter der Erde liegt. Anderswo lässt sich Steinkohle teils im Tagebau fördern, für einen Bruchteil der Kosten.
So beginnt ein massives Zechensterben. Von den einst 173 Zechen im Jahr 1957 sind zehn Jahre später nur rund 70 übrig. 1968 gründet sich die Ruhrkohle AG und hat den Auftrag, die Bergwerksgesellschaften zu vereinigen und ihre Zahl geordnet zu reduzieren. Es kommt zu weiteren Schließungen und Zusammenlegungen. Noch einmal keimt bei den Bergleuten Hoffnung auf, als 1973 der Ölpreis unerwartet steigt. Doch diese und auch mehrere weitere Ölkrisen gehen vorbei. Die Steinkohlenkrise bleibt.
Die gesamte Branche hängt an millionenschweren Subventionen vom Staat und kommt nicht davon los. Jeder Arbeitsplatz wird mit Steuergeldern erhalten. Manche beäugen die Bergleute deshalb mit einer Mischung aus Verachtung und Missgunst.
1980 sind nur noch 40 Zechen übrig. In Großbritannien, dem Mutterland der Industrialisierung, geht es dem Bergbau nicht besser. Ministerpräsidentin Margaret Thatcher entscheidet 1984, unrentable Zechen zu schließen. Tausende werden arbeitslos und bleiben es oft auch. Manche Städte werden sich davon auch 30 Jahre später noch nicht erholt haben.
Eine ganze Ära geht langsam zu Ende
In Deutschland sucht man in den sogenannten Kohlerunden nach sozialverträglichen Lösungen, um den Kohleabbau zu reduzieren. Dabei werden auch immer wieder Zechen stillgelegt. 1990 sind es nur noch 30, im Jahr 2000 sind noch 15 übrig. Die Subventionierung bleibt umstritten. 2007 dann die Entscheidung der damals rot-grünen Bundesregierung: Nach 2018 sollen keine Subventionen mehr für deutsche Steinkohle gezahlt werden. Das besiegelt das Ende der Kumpel in den letzten acht verbliebenen Zechen, so sozialverträglich es auch gestaltet werden soll. Die letzte Hoffnung der Bergleute ruht auf der sogenannten Revisionsklausel: Damit kann der Ausstiegsbeschluss nochmal überprüft werden.
2008 dann schließt mit der Zeche Walsum in Duisburg die erste der letzten acht; dann machen die Bergwerke Lippe in Gelsenkirchen und Ost in Hamm dicht.
2011 streicht der Bundestag auf Drängen der EU die Revisionsklausel. 2012 ist im Saarland, der zweiten großen Steinkohlenregion in Deutschland, Schicht im Schacht. Danach schließen die Zechen West in Kamp-Lintfort und Auguste Victoria in Marl.
2017 sind noch zwei Bergwerke übrig: Anthrazit Ibbenbüren zwischen Münster und Osnabrück sowie Prosper-Haniel in Bottrop. Zusammen fördern sie mit insgesamt 5700 Mitarbeitern 3,7 Millionen Tonnen Steinkohle. Wie groß die Fördermenge 2018 sein wird, steht erst nach Dezember fest. Die Zahl für 2019 hingegen ist schon bekannt: null Tonnen.
Auf Prosper-Haniel in Bottrop werden die Maschinen abgebaut. Was noch brauchbar ist, wird ins Ausland verkauft. Ob die Fördergerüste ebenfalls wegkommen, ist noch unklar. Die Schächte jedenfalls werden verfüllt, der Zugang zur Welt der Bergleute für immer geschlossen. Vergessen wird die Geschichte als Steinkohlenregion aber nicht. Denn der Bergbau hat Spuren für die Ewigkeit hinterlassen – und Aufgaben.