Irgendwo zwischen Düsseldorf und Bielefeld soll ab 2018 etwas wachsen, das legal vorher noch nirgends in Deutschland wuchs: Cannabis. Jedenfalls, wenn es nach Bryan Ebstyne geht. Der 47-jährige Amerikaner und Wahl-Düsseldorfer hat ein Startup gegründet und sich damit bei der deutschen Cannabisagentur um einen Auftrag als Hanfbauer beworben.
Den perfekten Ort für eine Indoor-Plantage hat er schon gefunden. Nur wo genau er liegen wird, will er noch nicht verraten. Er will die Konkurrenz nicht darauf aufmerksam machen, aber auch die Nachbarn nicht aufschrecken.
An die Idee von legalen Cannabisbauern muss man sich in Deutschland erst gewöhnen - das allerdings ziemlich schnell. Spätestens ab 2018 will die Bundesregierung die Pflanzen legal anbauen lassen. Seit März 2017 erlaubt ein Gesetz, dass Ärzte Cannabis zu medizinischen Zwecken verschreiben dürfen. Bis Ende 2016 gab es die Droge nur für rund 1000 Patienten mit Ausnahmegenehmigung in der Apotheke. Verordnet werden können Medikamente auf Hanf-Basis und die Blüten der Pflanze. Gute Ergebnisse erzielt das Kraut bei Krankheiten wie Multipler Sklerose und Rheuma außerdem, soll es die Nebenwirkungen der Chemotherapie bei Krebserkrankungen mildern. Mehr über die gesundheitlichen Vor- und Nachteile von Cannabis lesen Sie hier.
Rund 160 Kilogramm Hasch wurden 2016 für die Patienten mit Sondergenehmigung aus Kanada und Holland importiert. Die neu gegründete Cannabisagentur des Bundes rechnet jedoch mit einem rasanten Anstieg der Nachfrage. Das Vergabeverfahren sieht vor, 2000 Kilogramm Blüten pro Jahr hierzulande zwischen 2019 und 2022 in professionellen Indoor-Plantagen zu ernten.
Insgesamt zehn Anbauaufträge, verteilt auf drei verschiedene Cannabissorten, vergibt die Bundesregierung. Die Abgabefrist für Teilnahmeanträge endete am 5. Juni. Wer in die engere Auswahl kommt, wird Ende des Montas festgelegt. Welche Firmen den Zuschlag erhalten, entscheidet sich im Dezember 2017.
Doch schon die Kriterien der ersten Runde sind laut Deutschem Hanfverband, der Interessensvertretung der deutschen Hanfbewegung, nicht leicht zu erfüllen: „Wer bisher illegal in Deutschland angebaut hat, darf trotz Erfahrung nicht teilnehmen. Gleichzeitig müssen Bewerber nachweisen, dass sie in den vergangenen Jahren bis zu 200 Kilogramm Cannabis auf legalem Wege produziert haben“, sagt der Geschäftsführer Georg Wurth. Ein Dilemma, das ambitionierte Hobbyzüchter, Obstbauern, Agrarexperten und viele deutsche Pharmaunternehmen aus dem Rennen nimmt.
Und Leute wie Bryan Ebstyne ins Spiel bringt.
Man sieht es dem Typen mit dem karierten Hemd, dem Business-Haarschnitt und dem amerikanischen Akzent nicht an, aber er gehört zu den ersten legalen, professionellen Indoor-Cannabisproduzenten der USA. Leaph heißt die Firma, die er im Bundesstaat Washington gegründet hat. 8000 Cannabispflanzen ergeben dort täglich bis zu zehn Kilogramm Blüten für den medizinischen und Freizeitgebrauch . Das ist ungefähr ein Viertel der Größenordnung, die sich Bryan für seine deutsche Plantage vorstellt. „Bekommen wir die Höchstzahl an Aufträgen, müssen wir 1400 Kilogramm Cannabis produzieren. Dafür brauchen wir 2700 Pflanzen“, sagt Bryan.
Es wird schnell klar: Wenn sich Bryan in etwas hineinstürzt, dann richtig. Bloß keine halben Sachen machen. Und Timing. Timing kann Bryan. Das hat schon früh angefangen. 1990, da ist er 22 Jahre alt und gerade zwei Tage mit dem Studium der Architektur und Informatik fertig, als Bryan seine große Liebe in irgendeiner Straße von Seattle im Bundesstaat Washington anspricht. Es ist Christine aus NRW, Innenarchitektin – und wie es das Timing will, besuchen die beiden den gleichen Aufbaukurs an der Universität von Seattle.
Zwei Jahre später heiraten sie, nach einem weiteren Jahr wandern sie nach Düsseldorf aus. Bryan denkt gerne an diese Zeit zurück. Sie beschert ihm drei tolle Kinder, viele Freunde und Arbeitserfahrung als IT-Spezialist bei der Telekom, bei Vodafone und Microsoft sowie als Selbstständiger. 20 Jahre geht das gut. Was dann passiert, bleibt zwischen den beiden. Aber es reicht, um ihn für eine Weile aus Deutschland zu vertreiben. „Ich musste einfach mal raus und hatte in Seattle immer noch Kontakte. Außerdem wollte mein Sohn für ein Jahr auf eine amerikanische Schule gehen.“
Gerade mal zwei Wochen sind die beiden dort, als ihm der Fußball-Coach seines 15-jährigen Sohnes einen Businessplan unter die Nase hält. „Es war ein Plan für eine Cannabisfirma und er wollte wissen, ob ich ihn für realistisch halte.” Mit dem Thema Gründen kennt sich Bryan aus. Insgesamt zwei Firmen hat er während der 20 Jahre in Düsseldorf hochgezogen. Alle werden erfolgreich verkauft. Womit er sich nicht auskennt, ist Cannabis.
„Ich habe zwar mal gekifft, aber ich hatte nie wirklich Zeit dafür“, sagt Bryan. Entsprechend weiß er auch nicht, dass der Bundesstaat Washington im Jahr 2013 kurz vor der Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch steht. Erwachsene über 21 werden bald in speziellen Geschäften bis zu 28 Gramm der Droge kaufen können. Es ist zu diesem Zeitpunkt mit Colorado der zweite Bundesstaat der USA, der ein entsprechendes Gesetz erlässt. Inzwischen ist Cannabis in 25 von 50 Staaten für medizinische Zwecke erlaubt, in fünf weiteren ist es vollständig legalisiert.
Schnell ist klar: Bryan braucht mehr Wissen und das am besten aus erster Hand. Bloß keine halben Sachen machen. Also fragt er Freunde, die kiffen, nach dem Kontakt zu ihren Dealern und beginnt, sich illegale Hanfplantagen anzusehen. „Ich wollte das Geschäft verstehen und auch die Pflanze, also habe ich mit Recherchen begonnen.“ Während sich der Fußball-Coach die Idee schon nach kurzer Zeit aus dem Kopf schlägt, kommt Bryan immer mehr auf den Geschmack. Parallel zu seinem Vollzeitjob als Kommunikationsstratege paukt er die Kunst der Cannabisproduktion wie andere ihre Bücher fürs Studium.
30 illegale Plantagen besucht Bryan in einem Monat. Lässt sich die Abläufe erklären, schreibt auf dem Klemmbrett mit und prüft die Prozesse mit der Stoppuhr. Optimierung liegt ihm, das weiß er, seit er von Düsseldorf aus sämtliche Callcenter der Telekom neu strukturiert hat. „Illegale Anbauer haben an vielen Stellen einfach keinen Handlungsspielraum.“ Das beginnt damit, dass sie weniger Personal für die Pflanzenpflege zur Verfügung haben, weil sie niemanden einstellen können und reicht bis zur Automatisierung von Licht, Wasser und Raumtemperatur, die selbst in der größten unterirdischen Plantage, die Bryan gesehen hat, nur in kleinem Stil umgesetzt werden kann, um der Polizei nicht aufzufallen.
„Ich habe schon früh im Hinterkopf gehabt, dass ich eine eigene Firma gründen könnte, aber gemacht hätte ich es vermutlich nicht, wenn nicht die Sache mit meinem Sohn gewesen wäre“, sagt Bryan. Der kommt von seinem ersten Schultag in den USA nach Hause und fragt, was Crystal Meth sei. Man habe es ihm auf dem Schulhof angeboten.
„Das war eine reiche Gegend und eine wohlhabende Schule. Deshalb hat mich das umso mehr schockiert“, sagt Bryan. Die meisten Eltern würden sich an dieser Stelle wohl mit ihren Kindern zusammensetzen und ihnen erklären, dass Crystal Meth eine synthetische Droge ist und blitzschnell todkrank macht. Vielleicht würden einige auch den Direktor anrufen oder andere Eltern warnen.
Für Bryan ist es der Tag, an dem er den Entschluss fasst, Kleinkriminelle von der Straße zu verdrängen, indem er ihnen den Schwarzmarkt kaputt macht. Immerhin sind sie es, die sich fast ganz unbemerkt auf Schulhöfen, in Parks und an anderen öffentlichen Orten an Kinder und Jugendliche ranmachen können, um ihnen Drogen zu verkaufen. Oftmals ist ihr Stoff außerdem mit gefährlichen Substanzen gestreckt – ohne, dass die Konsumenten das nachvollziehen können.
Wird Cannabis jedoch legal verkauft, lohnt sich das Geschäft für die meisten Kleinkriminellen nicht mehr. Hanf ist die meistkonsumierte Droge weltweit. Alleine in Europa wird knapp siebenmal so viel Cannabis konsumiert, wie jede andere Droge. Allein von dem Erlös aus synthetischen Drogen, kann von den kleinen Dealern kaum einer Leben. Also bloß keine halben Sachen machen.
Bryan gründet die Washington Marihuana Association, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für den legalen Konsum von Cannabis einsetzt. Es ist September 2013. Im November startet der Bundesstaat Washington seine Ausschreibung für staatlich kontrollierten Cannabisanbau zur Freizeitnutzung. Timing kann Bryan.
Viel Zeit bleibt nicht, um ein Startup zu gründen, mit dem er sich auf den Auftrag bewerben kann. „Die meisten wissen gar nicht, wie viel Stress das ist “, sagt Bryan. Das gilt für die USA ebenso wie für Deutschland. Zeitpläne müssen geschrieben, Investoren gefunden, Prozesse dargestellt, Verträge unterzeichnet werden. „Vier Wochen haben wir gebraucht, dann hatten wir alle Bedingungen der Ausschreibung erfüllt und ein Startkapital von einer Million Dollar von Investoren gesammelt“, sagt Bryan. Dann hieß es warten.
So wie Bryan heute abwarten muss, ob er in die nächste Runde der deutschen Ausschreibung kommt. Und die hat ebenfalls ihre Tücken. Die schwierigste Bedingung ist laut dem Geschäftsführer des deutschen Hanfverbandes, eine kanadische Partnerfirma für ein Joint-Venture zu gewinnen. „Dazu werden die lokalen Firmen gezwungen, weil sie nachweisen müssen, dass sie bereits Erfahrung im Anbau von medizinischem Cannabis haben.“
Trotz seiner Vorerfahrung in den USA muss auch Bryan diesen Nachweis erbringen. Laut Cannabisagentur sind nur Länder für diesen Nachweis zulässig, die nach dem globalen Einheitsabkommen über Betäubungsmittel aus dem Jahr 1961 produzieren. Ein Abkommen, das bis heute die Basis der weltweiten Drogenkontrolle bildet. „Sie erklären nicht warum, aber die Cannabisproduktion der USA fällt laut Cannabisagentur nicht unter die Richtlinien dieses Abkommens“, sagt Bryan. Entsprechend groß ist der Konkurrenzkampf um Kanadas führende Produzenten von medizinischem Cannabis.
Lange hat Bryan verhandelt, bis er einen Partner ins Boot holen konnte. Auch deshalb, weil eine Klausel der Ausschreibung besagt, dass der Cannabisagentur sämtliche technischen Geräte, die auf der zukünftigen Plantage zum Einsatz kommen sollen, angegeben werden müssen. „Für diese Unternehmen sind das jedoch Firmengeheimnisse, die sie nicht gerne offenlegen“, sagt Bryan. Am Ende hat sein Konzept trotz allem überzeugt: bis zu 35 Millionen Euro wird die Partnerfirma, deren Namen er derzeit noch nicht nennen darf, in Bryans Startup investieren. Wie hoch die Summe letztlich ist, hängt von der Anzahl der Lose ab, die er zugesprochen bekommt.
In Washington ist der Plan ebenfalls aufgegangen. Bis Ende 2014 bleibt Zeit um die Firma Leaph aufzubauen. „Das Schwierigste war, eine passende Halle zu finden. In der deutschen Ausschreibung ist das noch nicht festgelegt, aber in Washington durfte sie nicht zu nahe an öffentlichen Orten wie Kinderspielplätzen, Parkbänken, Wohnhäusern und Feldern sein”, sagt Bryan. „Das war eine Herausforderung.”
10.000 Quadratmeter, also die Größe eines Fußballfeldes, hat das Gebäude, das sie am Ende finden. Und es sind viele Umbaumaßnahmen nötig: Erst werden zusätzliche Stahlgerüste und –platten in die Halle eingezogen, um neue Räume zu schaffen, aber auch, um das Gebäude vor der mexikanischen Mafia zu schützen. „Wir mussten ja immer damit rechnen, dass einer mit einem schweren Gefährt durch die Wand brettert, alles einsteckt, was er tragen kann, und wieder abhaut.“ Zudem mussten 250 Kameras installiert werden, sogar unter den Tischen. Das sahen die Washingtoner Vorschriften so vor.
Es folgt die Klimaanlage - ein Mammutprojekt. "Alleine die Klimaanlage hat 1,8 Millionen US-Dollar gekostet, das ist die Hälfte des Kaufpreises für das gesamte Gebäude." Spezielle weiße Platten an den Wänden sollen das Licht der Pflanzenlampen reflektieren, um möglichst viel Strom einzusparen und den Lichtkegel zu erweitern. "Wir haben eine monatliche Stromrechnung von 70.000 US-Dollar", sagt Bryan. "In Deutschland ist der Strom aber wesentlich teurer. Wir rechnen mit 182.000 Euro pro Jahr, wenn wir nur einen einzigen Auftrag bekommen.“ Bekommt Bryan sieben Lose, wird die Stromrechnung über eine Million Euro betragen. Es ist der größte Kostenfaktor für das Unternehmen.
Sieben Monate Kraftakt braucht es, dann kommen endlich die ersten Pflanzen in die Leaph-Halle. "Für die erste Ernte haben wir ausgewachsene Pflanzen angekauft, um sofort ein Produkt zu haben, während unsere eigenen Stecklinge noch heranwuchsen." Profis wie Bryan züchten Cannabis längst nicht mehr aus Samen, sondern erstellen sie aus Zellen in gentechnischen Laboren. So wird es Bryan auch für die deutsche Ausschreibung handhaben müssen, allerdings von Anfang an.
„Das Klonen garantiert eine gleichmäßige Qualität in allen Pflanzen und stellt sicher, dass kein männlicher Samen dazwischen ist und die Ernte zerstört.“ Denn nur weibliche Cannabispflanzen tragen die rauchbaren Blüten. Werden sie von einer männlichen Pflanze bestäubt, entfällt das kostbare Gut.
Das Leben von Zucht-Cannabispflanzen dauert ziemlich genau 112 Tage. Wie viel Ernte sie ergeben, kann sich stark unterscheiden. „Da bin ich abergläubisch, wenn man so will“, sagt Bryan. „Aber ich habe gesehen, wie sich die Pflanzen mit dem Menschen, der sich um sie kümmert, verändern. Ist er gestresst, zeigen auch die Pflanzen Anzeichen von Stress. Ist er gut drauf, stehen auch die Pflanzen wie eine Eins.“
Insgesamt 130 Pfleger schwirren jeden Tag bei Leaph in Washington durch die Flure und achten darauf, dass jede Pflanze genau das bekommt, was sie braucht. "Love your plants" ist das Motto. Dafür begrüßen sie die Grünlinge mit "Good Morning, Ladys", streicheln sie und legen spezielle Musiklisten an, die die Pflanzen in den verschiedenen Wachstumsphasen unterstützen sollen. „"Eye of the Tiger" aus dem Film Rocky war zum Beispiel beliebt, wenn sie sich gegen Parasiten durchsetzen sollten“, sagt Bryan. Reggea-Musik geht bei Cannabis natürlich immer.
"Menschen zu finden, die gut mit Cannabis umgehen können, wird für mich auch in NRW ein großes Thema", sagt Bryan. Zwischen 20 und 75 Angestellte wird er brauchen, die sich um die Grünlinge kümmern. Stellenausschreibungen für Cannabisgärtner kommen für ihn trotzdem nicht in Frage. Nach über 20 Jahren in NRW ist Bryan gut vernetzt. Allzu schwer sollte es ihm auch nicht fallen, Experten zu finden. Laut aktuellem Bericht des Bundeskriminalamtes zum Thema Rauschgiftkriminalität werden nirgends in Deutschlands so viele illegale Indoor-Plantagen ausgehoben wie in NRW. Trotzdem geht Bryan davon aus, dass er seinen zukünftigen Mitarbeitern viel beibringen muss. „Denn illegaler Anbau und industrialisierter Anbau sind zwei völlig verschiedene Dinge.“
Bei Leaph werden insgesamt zwölf verschiedene Sorten mit unterschiedlichem THC- (Tetrahydrocannabinol) und CBD-Gehalt (Cannabidiol) gezüchtet. Der Wirkstoff THC verursacht Rauschzustände, CBD wirkt entzündungshemmend und lindert Schmerzen. Sorten für den medizinischen Gebrauch werden extra auf einen hohen CBD- und niedrigeren THC-Anteil getrimmt. "Unsere potenteste Pflanze enthält über 30 Prozent Cannabidiol und weniger als 1 Prozent THC", sagt Bryan.
Deswegen sind ihm auch die Anforderungen der Cannabisagentur unverständlich. Demnach sollen drei Cannabissorten angebaut werden, von denen zwei weniger als ein Prozent CBD enthalten dürfen und eine maximal neun Prozent. „Dass man das berauschende THC niedrig halten will, ist ja noch verständlich. Aber dass man für eine intensive medizinische Wirkung deutlich höhere CBD-Mengen braucht, das werden die Zuständigen wohl erst noch lernen müssen.“ Warum der Wirkstoffanteil in den Pflanzen so festgelegt wurde, will die Cannabisagentur nicht erklären. Laut einem Pressesprecher dürfen Auskünfte zu den Bedingungen nur an Bewerber herausgegeben werden.
Damit bei den Pflanzen von Leaph das herauskommt, was sich Bryan und sein Team vorstellen, gibt es zwölf sortenorientierte Stundenpläne, die von Düngen und Bewässerung bis hin zum Lüften und Bewegen der einzelnen Pflanzenäste reichen. "Wir nennen das "Rezept“. Es leistet einen wesentlichen Beitrag zur Qualität der verschiedenen Blüten", sagt Bryan.
Das Ergebnis der ausgefeilten Rundumversorgung: Während die meisten Pflanzensorten etwa 1,5 Pfund Blüten pro Lampe ergeben, bringen Leaph-Pflanzen etwa drei Pfund. Manchmal sind die Gewächse so schwer, dass sie sich selbst nicht mehr tragen können. "Dann muss man sie durch ein System aus Volleyballnetzen festbinden."
Im April 2015 kommen die Produkte erstmals auf den US-Markt. Schon im ersten Monat setzt Leaph 80.000 Dollar um. Im dritten Monat sind es bereits 250.000. Der Markt floriert. Und die von der Grenzpolizei veröffentlichen Daten lassen keine Zweifel: Direkt im ersten Jahr 2014 ist der illegale Handel mit Marihuana im Vergleich zu 2011 um 24 Prozent gesunken. Vor allem das Geschäft der Kleinkriminellen ist betroffen, denn die können mit den Preisen aus industrieller Cannabisproduktion nicht mithalten.
Doch welcher Umsatz ist mit rein medizinischem Cannabis in Deutschland zu erwarten? „Gehen wir mal von drei Losen aus, das wären 600 Kilogramm Cannabis zu einem geschätzten Preis von 5 Euro pro Gramm. Das gäbe einen Umsatz von drei Millionen Euro im Jahr“, sagt Bryan. „Allerdings werden die Produktionskosten sehr nahe am Umsatz liegen.“ Wirklich rentabel wird das Geschäft erst, wenn die Plantage deutlich größer ist. „Wir wollen das Projekt auch so anlegen, dass Wachstumsmöglichkeiten bestehen.”
Sowohl Bryan als auch Georg Wurth vom deutschen Hanfverband sind überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Cannabis auch in Deutschland legalisiert wird. „Man sieht das schon daran, wie stark die Cannabisagentur die Bedarfszahlen nach oben geschraubt hat“, sagt Wurth, „von 160 Kilogramm im Jahr 2016 auf zwei Tonnen in den nächsten drei Jahren.“ Wurths Schätzungen zufolge deckt das den Bedarf von bis zu 13.000 Patienten. „Aber ich denke, dass wir schon Ende dieses Jahres mehr als 10.000 Patienten mit entsprechendem Rezept haben werden, obwohl es derzeit noch sehr verhalten verschrieben wird.“
In Münster, Köln und in der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf jedenfalls sind Pilot-Projekte zum kontrollierten Cannabis-Verkauf in Planung. Dass die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Kraut auch hier ein Thema ist, zeigt sich in der Statistik des Landeskriminalamtes zu den verdächtigten Cannabiskonsumenten in NRW 2015. Demnach ist die Zahl der Cannabiskonsumenten im vergangenen Jahr in den meisten Regionen deutlich gestiegen.
In dem Düsseldorfer Pilotprojekt beispielsweise sollen deshalb über 18-Jährige die Blüten in einem festgelegten Zeitraum frei konsumieren dürfen und dabei wissenschaftlich begleitet werden. So will man die Auswirkungen auf Gesundheit, Umfeld, Konsum und Stadt messen. Finanzierung und Start des Projekts sind allerdings noch unklar.
Auch Bryan sieht das Geschäft vor allem langfristig. „Die drei größten Firmen für rein medizinisches Cannabis in Kanada haben einen Marktwert von drei Milliarden US-Dollar. Sie decken aber nur ein Zwanzigstel der Menschenmenge ab, die irgendwann in Europa potenzielle Konsumenten sein könnten. Solche Gedanken motivieren mich.“
Wie kommt einer, der all das aufgebaut hat, am Ende wieder nach Düsseldorf ? „Das hat zwei Gründe: Zum einen wollte ich, im Gegensatz zu den anderen Mitgründern, die Firma mit einer anderen zusammenlegen, um zu expandieren. Weil das nicht ging, habe ich mich als Geschäftsführer zurückgezogen und wurde stiller Partner. Zum anderen wollte ich wieder bei meinen Kindern sein. Das ewige Hin- und Herfliegen ist anstrengend und wird irgendwann teuer.“
Es ist Anfang 2016, als Bryan zurück nach Düsseldorf zieht. In Deutschland wird zu diesem Zeitpunkt so ernsthaft wie nie diskutiert, ob Cannabis als Medizin legalisiert werden soll. Der Rest der Geschichte hat ein bisschen was von „Täglich grüßt das Murmeltier“. „Mir war ganz schnell klar, dass ich auch hier wieder in das Geschäft einsteigen werde. Denn sollte Cannabis dann in Deutschland legalisiert werden, möchte ich auf dem neuen Markt ganz vorne dabei sein.“ Timing kann Bryan.
Weitere Infos zum Thema Cannabis auf RP ONLINE:
Cannabis-Legalisierung in Deutschland - Pro und Contra
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RP ONLINE, 14.12.2024