Karneval

Helau, Alaaf oder Breetlook – so klingen die Narren in der Region

Der Norden des Rheinlands ruft an Karneval vorwiegend „Helau“, der Süden hält es mit den Kölnern und ihrem „Alaaf“. Abgesehen von den Klassikern gibt es aber noch zahlreiche andere Narrenrufe. Wir haben sie in einer Grafik zusammengestellt.

Von Christina Rentmeister und Phil Ninh

Unsere Karnevalskarte zeigt die Grenze zwischen „Helau"- und „Alaaf"-Region. Blau eingefärbt ist der Teil des Rheinlands, der vorwiegend „Helau" ruft. Die „Alaaf"-Region ist rot eingefärbt. Doch nicht alle bleiben dabei: Wir haben in der Region bekannte Sonderformen der Narrenrufe auf unserer Karte zusammengetragen. Einige von ihnen können Sie sich durch einen Klick auf den blauen oder roten Punkt anhören.


„Helau" oder „Alaaf"? – diese Frage ist am Rhein genauso entscheidend wie die Wahl zwischen Altbier oder Kölsch oder ob man FC-, Fortuna- oder Fohlen-Fan ist. Im Süden wird von Köln über das Bergische Land und Bonn bis Aachen im Karneval "Alaaf" gerufen. Der Schlachtruf der Düsseldorfer, Neusser oder auch Klever heißt "Helau". Das sollte man als zugereister Karnevalist besser nicht verwechseln. Doch nicht überall verläuft die Trennlinie sauber: Schwierig wird es für Künstler, Bands und Büttenredner etwa in Dormagen. Da gibt es gleich beides. Die einen Dormagener halten es mit den Düsseldorfern und rufen „Helau", die anderen mit den Kölnern und rufen zum Kölsch „Alaaf".

Welcher Narrenruf den Karnevalisten in Dormagen über die Lippen kommt, wird quasi mit dem Wohnort festgelegt und bei so manchem seit der Geburt: In den Stadtteilen Delhoven, Zons, Hackenbroich, Dormagen-Mitte und Gohr wird „Alaaf" gerufen, in Stürzelberg, Nievenheim und Delrath „Helau".

„Mit diesem komischen Wort mit H tue ich mich schon schwer", sagt Jens Wagner, Präsident der Karnevalsgesellschaft „Ahl Dormagener Junge". Alaaf sei viel schneller ausgesprochen, sagt er. Dormagen Zentrum sei eben eher Köln zugeneigt. „Alaaf hat einfach viel mehr Musik im Ausruf. Helau hört sich so hart und rau an. Alaaf ist sanfter und schöner", sagt Wagner. Alaaf sei ein ganz besonderer Narrenruf – nicht überall in Deutschland verbreitet, schwieriger zu schreiben und individueller auszusprechen als das „einfache Helau".

Jens Wagner ist Präsident der „Ahl Dormagener Junge“ - in dieser Karnevalsgesellschaft ruft man „Alaaf“. Foto: Jaz

Einfaches Helau? Den kleinen Seitenhieb nimmt Agnes Meuther gelassen. „Ich würde dasselbe umgekehrt für mein Helau beanspruchen", sagt die Ehrenvorsitzende der KG Rot-Weiß Stürzelberg. Doch sie gibt sich diplomatisch: Welcher Narrenruf der bessere ist, will sie nicht beurteilen. „Das wäre ja so, als würde man Frauen mit Männern vergleichen", sagt sie. Aber: „Helau ruft sich so schön. Beim Feiern rufe ich das ganz automatisch. Egal ob ich im Helau-Gebiet oder in Köln bin. Alaaf geht viel schwerer über die Lippen", sagt Meuther. Nur Helau komme bei ihr aus ganzem Herzen. Eine Frage der Tradition.

Die Geschichte der beiden Schlacht- oder Narrenrufe geht bis auf das Mittelalter zurück. Schon im 13. Jahrhundert war es üblich, seine Stadt mit einem Ruf hochleben zu lassen. So sollen es auch die Kölner Ratsleute gemacht und „all af Kölle" ausgerufen haben. Al af bedeutete so viel wie „alles abwärts" und sollte zeigen, dass hinter Köln alles schlechter ist, schreibt der Sprachwissenschaftler Heribert A. Hilgers in seinem Buch „Alaaf! Ein Kölner Hochruf". Erstmals schriftlich belegt sei eine dem „Kölle Alaaf" ähnliche Formulierung zum Beispiel aus dem Jahr 1635, in einem Brief. Bereits um 1550 fand sich im Kölner-Raum der Trinkspruch „all af" auf Krügen. Seit 1817 ist es offiziell der Schlachtruf im Kölner Straßenkarneval.

Über die Herkunft des „Helau" gibt es verschiedene Theorien. Zum einen soll „Helau" am Niederrhein ein Ruf der Hirten gewesen sein. Andere Sprachforscher leiten es von „Halleluja" ab. Es soll genutzt worden sein, um sich über die kirchliche Obrigkeit lustig zu machen.

Während „Helau" fast in ganz Deutschland bekannt ist, wird „Alaaf" vor allem in der Region um Köln, Bonn und Aachen und in Teilen von Rheinland-Pfalz gerufen. „Helau" ruft man dort nur in Swisstal-Dünstekoven, um sich von den Nachbarstädten abzugrenzen. Aber auch im „Helau"-Gebiet gibt es ein paar Ausnahmen: In Odenkirchen ist der Schlachtruf „Alaaf" – obwohl Mönchengladbach zum „Helau"-Gebiet gehört. In Rommerskirchen ruft man als Grenzort zwischen den beiden Regionen „Alau!".

Es gibt aber auf beiden Seiten auch Vereine, Städte oder Ortschaften, die individuelle Narrenrufe kreiert haben. Zum Beispiel aus dem Vereinsnamen oder einer Tradition des Ortes entstanden. Die Karnevalsgesellschaft Blau-Weiß Eisenbahner aus Mönchengladbach-Rheydt ruft „Puff, Puff, Puffer". In Krefeld-Hüls ruft man in Anlehnung an das dort traditionell angebaute Gemüse Lauch: „Breetlook". Die Narren in Pulheim-Stommeln sagen „Stommeler Bure! Mühl' op!". Solche Narrenrufe dienen auch der Abgrenzung von Nachbarstädten oder –vereinen.

Um Abgrenzung geht es auch in Dormagen. Nach dem Krieg hätten sich die Zonser oder Dormagener nach Köln orientiert, die Stürzelberger hingegen nach Düsseldorf – so auch im Karneval, sagt Meuther. Die Gesangsvereine in Stürzelberg hätten Anfang der 1950er Jahre erste Sitzungen nach Düsseldorfer Vorbild abgehalten. „Da gehörte selbstverständlich auch der Schlachtruf Helau dazu", sagt Meuther. Später könnte auch die mit viel Liebe gepflegte kleine Fehde zwischen Zons und Stürzelberg eine Rolle gespielt haben, dass der Verein dabei blieb. Denn die Zonser sind Alaafer.

Hoppeditz Agnes Meuther wird am 11.11. von der Prinzengarde aus der Kiste erweckt. Sie war viele Jahre Vorsitzende der KG Rot-Weiß-Stürzelberg. Foto: KG Rot-Weiß-Stürzelberg

„Kleine Neckereien zwischen Helau-Rufern und Alaaf-Rufern gehören dazu, aber es ist noch nie unter die Gürtellinie gegangen", sagt Meuther. Wenn sie zu Besuch bei den Dormagener Karnevalisten seien, würden sie immer zuerst Alaaf rufen, dann Helau. Von den Dormagenern werde man wiederum mit einem zwinkernden Auge daran erinnert, dass man im Alaaf-Gebiet sei. „Wichtig ist doch, dass jeder Freude an seinem Schlachtruf hat", sagt Meuther.

Auch Wagner weiß: Jeder Jeck ist anders. Also hat der Verein einen Weg gefunden, die Helauer in der Region nicht ständig zu verärgern. „Zum Beispiel für Besuche bei unseren Freunden in Neuss haben wir den Ausruf ‚Helaaf' kreiert", sagt Wagner. Niemand werde böse, wenn andere Vereine bei ihren Besuchen „Helau" rufen. „Ärger über so etwas hat im Karneval nichts zu suchen. Kleine Pieksereien wegen des Narrenrufs oder der Biersorte, die getrunken wird, gehören einfach dazu", sagt Wagner. Das Leben sei schon schwer genug. Im Karneval gehe es um Spaß, Freude und gemeinsames Feiern – egal ob jemand lieber „Helau", „Alaaf" oder etwas ganz anderes rufe.

Hier können Sie alle Narrenrufe aus unserer Karte hören.

Für unsere Karte haben wir die Karnevals- und Festkomitees im Rheinland sowie Städte und Vereine gebeten, uns ihre Narrenrufe sowie deren Bedeutung und Herkunft zu schicken. Zahlreiche Rufe haben wir außerdem auf den Internetseiten der Karnevalsgesellschaften gefunden und die Gruppen daraufhin angeschrieben.

Sollte es der eine oder andere Schlachtruf aus dem Rheinland und den Regionen um Bonn und Aachen nicht auf unsere Karte geschafft haben, können Sie uns diesen gerne zuschicken. Wir freuen uns über Angaben zur Bedeutung, Herkunft und zur zugehörigen Karnevalsgesellschaft. Wir ergänzen ihn dann gerne auf unserer Karte. Auch aus dem Rest von NRW nehmen wir natürlich gerne Narrenrufe auf unserer Karte auf. Sollte Ihr Narrenruf noch nicht auf der Karte zu hören sein, können Sie uns auch eine Sprachaufnahme per E-Mail an christina.rentmeister@rheinische-post.de schicken.

Von Christina Rentmeister (Text & Recherche), Phil Ninh (Design & Programmierung)


RP ONLINE, 27.03.2024

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