Datenanalyse

Zur Tour zeigt sich Düsseldorf von seiner glänzenden Seite

Endlich ist es so weit: Die Tour de France startet in Düsseldorf. Die erste Etappe führt durch die fünf Stadtteile Golzheim, Pempelfort, Oberkassel, Carlstadt und Altstadt. Wir haben die Sozialstruktur analysiert und mit fahrradbegeisterten Anwohnern gesprochen.

Von Marlen Keß

Schicke Straßen, schöne Häuser, gut gekleidete, glückliche Stadtbewohner - in den fünf Sozialräumen an der Tour-Strecke zeigt sich Düsseldorf von seiner besten Seite: „Die Stadt möchte für die Gäste, Fotos und TV-Bilder eine attraktive Kulisse bieten“, sagt Politikwissenschaftler Volker Eichener, Experte für Stadtpolitik an der Hochschule Düsseldorf.

Hunderttausende Besucher werden zum Grand Départ in Düsseldorf erwartet. Welche Stadtteile die Rennradfahrer und vor allem die Zuschauer an der Strecke und vor dem Fernseher zu sehen bekommen, hat die Stadt ausgewählt. Die Auftaktstrecke führt durch fünf der 166 Sozialräume der Landeshauptstadt. Sozialräume sind Gebietseinheiten unterhalb der Stadtteilebene, die in Düsseldorf erstmals 1997 abgegrenzt wurden. Sie dienen laut Stadt der Fachplanung, etwa in Belangen des Jugendamtes, und grenzen möglichst sozialstrukturell ähnliche Gebiete voneinander ab.

Doch wie sehen die Statistiken in diesen Sozialräumen aus? Wer lebt dort eigentlich? Wir haben eine Sozialraumanalyse durchgeführt. Basis dafür sind aktuelle Daten des Amtes für Statistik und Wahlen der Stadt. Außerdem kommen Menschen zu Wort, die in diesen Stadtteilen leben – und sich für die Tour begeistern.


Golzheim (Sozialraum 0114)

Die sogenannten weißen Häuser in der ehemaligen Schlagetersiedlung in Golzheim. Foto: Andreas Endermann

Die Start- und Endpunkte der ersten Tour-Etappe liegen in Düsseldorf-Golzheim, genauer gesagt im Sozialraum 0114, der zu dem Stadtteil gehört. Dieser besteht hauptsächlich aus den sogenannten weißen Häusern, der Schlagetersiedlung. Diese wurde 1937 für die nationalsozialistische Propagandaausstellung „Schaffendes Volk“ gebaut. In den weißen Häusern wohnten etwa Gauleiter Friedrich Karl Florian und Gaupropagandaleiter Hermann Brouwers.

Sozialraumanalyse: Die Eigentumsquote sticht hervor

Das dunkle Kapitel aus der NS-Zeit hat Golzheim lange hinter sich gelassen. Heute ist die Gegend gefragt: Mit mehr als 40 Prozent hat der Sozialraum 0114 eine hohe Eigentumsquote. Sie liegt deutlich höher als in allen anderen Sozialräumen entlang der Tourstrecke – und mehr als doppelt so hoch wie in Düsseldorf insgesamt.

Zudem sind auf dem Gebiet der ersten Tour-Etappe die meisten Haushalte mit Kindern zu finden, nämlich fast 20 Prozent. Das ist ein höherer Anteil als in der Gesamtstadt Düsseldorf und teils deutlich mehr als in den anderen Sozialräumen: Im Sozialraum 0102 (Altstadt) etwa wohnen in nur 7,3 Prozent der Haushalte Kinder. Im Sozialraum 0405 in Oberkassel, das eigentlich als besonders familienfreundliches Stadtviertel gilt, immerhin 14,5 Prozent.

Wohlhabende Menschen wählen bürgerlich – diese Annahme bestätigt sich im Golzheimer Sozialraum eindrucksvoll. Hier bekam die CDU bei der Landtagswahl im Mai 39 Prozent der Stimmen, das ist der höchste Anteil unter den untersuchten Sozialräumen. Zum Vergleich: Gesamtstädtisch erreichte die CDU 30,9 Prozent.

Die Fankurve des Cycling-Clubs

Monika Berr freut sich auf die Tour. Sie schätzt an Golzheim besonders die Nähe zum Rhein und zur Stadt. „Gleichzeitig ist man aber auch schnell raus aus der Stadt und es gibt schöne ruhige Ecken“, sagt sie. Die 53-Jährige ist selbst begeisterte Rennradfahrerin und seit knapp drei Jahren Mitglied im Cycling Club.

Monika Berr am Rheinufer in Golzheim. Foto: Andreas Bretz

Monika Berr am Rheinufer in Golzheim. Foto: Andreas Bretz

Zum Grand Départ hat der Club den ersten Style-Ride von Düsseldorf organisiert. Für die knapp 40 Kilometer hatte sich Berrs Truppe etwas Besonderes einfallen lassen: „Alle waren verkleidet, teils schick, teils verrückt.“ Die erste Etappe der Tour wollen sich die Vereinsmitglieder gemeinsam anschauen, sagt Berr: „Am Hofgarten stellen wir uns zu einer Cycling-Club-Fankurve auf.“

Golzheim von oben. Foto: Hans Blossey

Die Zietenstraße ist eine der schönsten des Stadtteils. Foto: Thomas Bußkamp 

Pempelfort (Sozialraum 0104)

Das Jacobihaus in Pempelfort. Foto: Thomas Bußkamp

Danach geht es für die Radrennfahrer den Rhein hinunter und ein Stück durch Pempelfort. Genauer: den Sozialraum 0104, der zu Pempelfort gehört. „Pempelfort ist ein begehrter Stadtteil“, sagt Stadtforscher Volker Eichener. Das ist auch historisch zu erklären: Im 19. Jahrhundert zogen viele Künstler ins heutige Pempelfort, um an der Kunstakademie oder an der Düsseldorfer Malerschule zu studieren. Sie bauten elegante Stadthäuser rund um den Malkasten. Diese prägen das Stadtbild bis heute.

Sozialraumanalyse: Pempelfort mit der zweitniedrigsten Arbeitslosenquote

Beim Blick auf die Sozialraumdaten fällt auf: Der Sozialraum 0104 in Pempelfort hat die wenigsten Ausreißer nach oben oder unten, könnte also als der „durchschnittlichste“ der untersuchten Sozialräume gelten. Gleichzeitig ist aber auch hier augenfällig: Die Sozialdaten sind gut, es gibt wenige Arbeitslose und wenige Sozialhilfeempfänger. Zwar sind hier mehr Haushalte mit Kindern verzeichnet, die von Hartz IV leben müssen, als in allen anderen Sozialräumen entlang der Tour-Strecke – aber immer noch weniger als in der Stadt Düsseldorf insgesamt.

Außerdem hat der Sozialraum die zweitniedrigste Arbeitslosenquote aller fünf Sozialräume: 2016 waren nur 4,8 Prozent der Menschen arbeitslos gemeldet. Zum Vergleich: Sogar im wohlhabenden Golzheim waren es 6,8 Prozent und in der Stadt Düsseldorf sogar mit 10,1 Prozent mehr als doppelt so viele Prozentpunkte. Nur in Oberkassel waren es noch weniger.

Ein weiterer interessanter Aspekt erschließt sich aus dem Blick auf das Wahlverhalten der Pempelforter Bürger im Sozialraum 0104. Zwar war auch hier die CDU mit Abstand stärkste Partei, aber mit 23,4 Prozent erhielt die SPD ihr bestes Ergebnis in den untersuchten Sozialräumen. Dennoch ist das immer noch weniger als in der Stadt Düsseldorf (26,6 Prozent).

Prozentual gesehen gibt es im Sozialraum 0104 die meisten Kinder, die zwischen null und sechs Jahre alt sind: sechs Prozent. Das mag auf den ersten Blick überraschen, gelten doch eigentlich Golzheim und Oberkassel als besonders familienfreundliche Stadtteile. Doch Ruth Kläver, die in Pempelfort lebt, sagt: „Hier gibt es viele Leute Anfang 30, das mag ich gerne an diesem Stadtteil.“

Ruth Kläver in Pempelfort. Foto: Andreas Bretz

Ruth Kläver in Pempelfort. Foto: Andreas Bretz

Der Ladies Circle veranstaltet Kinderschminken

Ruth Kläver ist die Präsidentin des Ladies Circle Düsseldorf. Was klingt wie ein Fitnessstudio, ist tatsächlich eine wohltätige Organisation. Einige Mitglieder wohnen wie Kläver in Pempelfort. „Pempelfort hat einen ganz eigenen Charakter“, sagt die 32-jährige promovierte Biologin. Wegen der kleinen Läden, an denen sie gern vorbeischlendert, müsse sie gar nicht mehr in die Innenstadt fahren.

Ihr Ladies Circle hat zur Tour ein kinderfreundliches Programm geplant: „Unser Motto ist Freundschaft und Hilfsbereitschaft“, sagt sie. Man sammle Geld etwas für das Trebecafé der Diakonie für obdachlose Mädchen. Zum Grand Départ bieten die Frauen Kinderschminken am Graf-Adolf-Platz an – das Schmetterlings- und Piratenstyling haben sie extra vorher an den eigenen Kindern geübt.

Pempelfort von oben. Foto: Hans Blossey

Solche Fassaden wie in der Sternstraße prägen das Bild des Stadtteils mit. Foto: Andreas Bretz

Oberkassel (Sozialraum 0405)

Die Rheinkirmes in Oberkassel lockt jedes Jahr rund vier Millionen Besucher an und gehört damit zu den größten Volksfesten Deutschlands. Foto: dpa

Von Pempelfort aus geht es für die Radfahrer über die Oberkasseler Brücke. In Oberkassel passiert die Tour den Sozialraum 0405. Von allen fünf Sozialräumen an der Tour-Strecke hat das Nobelviertel die besten Sozialdaten. Es liegt an den nicht bebauten Rheinwiesen und ist vergleichsweise dünn besiedelt: 462 Einwohner pro Quadratkilometer – in Golzheim sind es 2171.

Oberkassel gehört erst seit 1909 zu Düsseldorf – als die erste Tour de France 1903 durch Frankreich rollte, waren der heutige Stadtteil sowie die angrenzenden Niederkassel, Heerdt und Lörick noch nicht Teil der Landeshauptstadt. Heute ist Oberkassel geprägt durch seine edlen Wohnhäuser und den Künstlerstandort. Andreas Gursky und Julia Stoschek haben hier ihre Ateliers, früher arbeitete auch Joseph Beuys in Oberkassel.

Sozialraumanalyse: eine rekordverdächtige Gymnasiastenquote

Der gehobene Standard in Oberkassel zeigt sich in allen Bereichen der Sozialraumanalyse. „Dass es sich hier um einen Nobelstadtteil handelt, sieht man unter anderem daran, dass es nahezu keine Sozialhilfeempfänger gibt“, sagt Stadtforscher Volker Eichener. Nur 4,6 Prozent der Menschen sind arbeitslos, nur 1,5 Prozent der Menschen leben in Hartz-IV-Haushalten. Laut Eichener „rekordverdächtig“ ist zudem eine weitere Zahl: 97,3 Prozent der Schüler des Sozialraums 0405 gehen auf das Gymnasium. Zum Vergleich: In Düsseldorf ist es knapp die Hälfte.

In Oberkassel gibt es zwar viele Familien, gleichzeitig aber auch besonders viele ältere Menschen. Mit 34,7 Prozent verzeichnet der Sozialraum 0405 den höchsten Anteil an Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Das sind knapp 13 Prozent mehr als in der Gesamtstadt Düsseldorf (24,3 Prozent).

Ein weiterer Aspekt unterstreicht den noblen Charakter Oberkassels. Im Sozialraum 0405 haben die Menschen durchschnittlich am meisten Raum zum Wohnen zur Verfügung: 81,6 Quadratmeter pro Person. In der Gesamtstadt Düsseldorf ist es nur knapp halb so viel, aber auch in den anderen Sozialräumen (Pempelfort kommt mit 60,2 Quadratmetern auf den zweithöchsten Wert) bleibt diese Marke unerreicht.

Weiterhin bestätigt der Sozialraum 0405 die Tatsache, dass wohlhabende Menschen im Durchschnitt häufiger wählen gehen. Hier gaben 81,9 Prozent der Menschen zur Landtagswahl im Mai ihre Stimme ab. Interessant ist: Auch in Golzheim, Pempelfort und in der Carlstadt wurde eine Wahlbeteiligung von über 75 Prozent erreicht – in Düsseldorf gingen nur 67,7 Prozent der Menschen wählen, in NRW insgesamt waren es 65 Prozent.

Ein Familienfest an der Jugendherberge

„Wir sind hier verankert wie in einer großen Familie“, sagt Andrea Kumpfe. Die 45-Jährige leitet gemeinsam mit ihrem Mann die Jugendherberge am Rhein, direkt gegenüber der Altstadt. Rund um die Jugendherberge helfe man sich gegenseitig, wenn nötig – „einfach eine ruhige, nette und sehr charmante Nachbarschaft“.

Andrea Kumpfe auf den Rheinwiesen vor der Jugendherberge. Foto: Andreas Bretz

Andrea Kumpfe auf den Rheinwiesen vor der Jugendherberge. Foto: Andreas Bretz

Zur Tour de France wird auf der Sonnenterrasse der Kumpfes, die auch Mitsponsoren sind, gebruncht, samt Tombola und Bastelaktionen rund ums Rad. „Und wenn die Radfahrer direkt bei uns vorbeikommen, ist es nur ein Katzensprung von der Terrasse bis zur Strecke.“

Oberkassel von oben. Foto: Andreas Endermann

Besonders an der Rheinfront gibt es in Oberkassel viele Altbauten. Foto: Hans-Jürgen Bauer

Carlstadt (Sozialraum 0103)

Wie hier am Hotel Orangerie ist die Carlstadt ein Stadtteil mit vielen kleinen Gassen und schönen Häusern. Foto: pixabay

Von Oberkassel geht es über die Rheinkniebrücke in Richtung Carlstadt. Das Besondere am Sozialraum 0103 ist, dass er den kleinsten der Düsseldorfer Stadtteile komplett und das angrenzende Einkaufs- und Bankenviertel in direkter Rheinlage einschließt. Überregional bekannt ist die Carlstadt vor allem durch ihren stationären Wochenmarkt auf dem Carlsplatz und die Villa Horion, den ehemaligen Amtssitz der NRW-Ministerpräsidenten.

Laut dem Stadtentwicklungsexperten Eichener ist die Carlstadt „der schöne, ruhige und pittoreske Teil der Altstadt“. Der schicke Charakter lässt sich vor allem durch zahlreiche Stadtpalais und Bürgerhäuser aus dem 19. Jahrhundert erklären, die bis heute erhalten sind. Außerdem beherbergt die Carlstadt mehrere Kultureinrichtungen, darunter das Heinrich-Heine-Institut, das Institut français, das Filmmuseum Düsseldorf und das Stadtmuseum der Landeshauptstadt. Carlstadt heißt der Stadtteil im Übrigen noch nicht lange: Bis Ende 2005 lautete die offizielle Schreibweise „Karlstadt“.

Sozialraumanalyse: Die FDP ist in der Carlstadt besonders beliebt

Die Daten zeichnen das Bild eines dicht besiedelten Sozialraums (3111 Einwohner pro Quadratkilometer), in dem zunächst auffällt, dass es viele Haushalte gibt, in denen nur eine Person lebt. Der Anteil ist mit 67,5 Prozent zwar nicht der höchste (die Altstadt übertrifft ihn noch mit 75,1 Prozent). Dennoch liegt er über dem Düsseldorfer Durchschnitt von 54,3 Prozent – und deutlich über dem Anteil anderer Sozialräume. Passend dazu leben die Menschen im Sozialraum 0103 auch auf relativ engem Raum zusammen, 57,3 Quadratmeter hat jeder Einwohner hier durchschnittlich zur Verfügung.

An der Spitze liegt der Sozialraum, der die Carlstadt umfasst, hingegen in zwei anderen Kategorien. Zum einen gibt es hier prozentual die wenigsten Hartz IV-Haushalte, in denen auch Kinder leben – und das, obwohl dort nicht deutlich weniger Kinder leben als in den anderen Stadtteilen. In nur 9,8 Prozent der Hartz-IV-Haushalte ist das der Fall – und in der Carlstadt leben ohnehin nur 2,8 Prozent der Menschen in einem solchen Haushalt. Damit wird der Düsseldorfer Schnitt um fast zehn Prozent unterboten, bei den Kindern in Hartz-IV-Haushalten sind es sogar knapp 20 Prozent.

Außerdem haben hier 31,6 Prozent der Wähler bei der Landtagswahl im Mai für die FDP gestimmt – das ist der höchste Wert bei den untersuchten Sozialräumen. Damit schlug die liberale Partei in der Carlstadt sogar knapp die CDU (31,3 Prozent). Zum Vergleich: In NRW stimmten 12,6 Prozent für die FDP, in Düsseldorf gesamt 17,4 Prozent. In den anderen Sozialräumen schwankt der Stimmenanteil zwischen 20,7 (Altstadt) und 30,7 (Oberkassel) Prozent.

Eine aufblasbare Kirche von der Caritas

In der Carlstadt nahe der Rheinbrücke liegt die Düsseldorfer Zentrale der Caritas. Henric Peeters leitet den Ableger des Wohlfahrtsverbands der katholischen Kirche seit knapp sechs Monaten.

Henric Peeters am Rheinufer. Foto: Andreas Bretz

Henric Peeters am Rheinufer. Foto: Andreas Bretz

„Unsere Zentrale liegt direkt an der Strecke“, sagt der 50-Jährige. „Auf der Dachterrasse werden wir den Fahrern zujubeln.“ Ungewöhnlich wird es auf den Rheinwiesen: Neben dem Apollotheater wird eine aufblasbare Kirche aufgestellt. 18 Meter lang und 14 Meter hoch soll diese sein – und begehbar. „Wir wollen einen großen, ruhigen Raum inmitten all des Trubels bieten“, sagt Peeters. So solle die Kirche nah an die Menschen gebracht werden.

Der Blick von oben zeigt die vielen schönen Häuser der Carlstadt. Foto: Vermessungs- und Liegenschaftsamt Düsseldorf

Der Markt am Carlsplatz ist auch überregional bekannt. Foto: Bernd Schaller

Altstadt (Sozialraum 0102)

Das Rathausufer mit temporär aufgebautem Riesenrad. Foto: Andreas Endermann

Auf ihrem Weg Richtung Ziel nahe der Messe in Golzheim passieren die Fahrer der Tour de France schließlich die Altstadt und damit den Sozialraum 0102. Der Stadtteil ist zwar nicht der älteste, bildet aber die Keimzelle der heutigen Stadt Düsseldorf. Das Gebiet wurde schon 1159 als Dusseldorp urkundlich erwähnt. Für die Entwicklung der Altstadt war dann die Herrschaft der Grafen und späteren Herzöge von Berg wichtig, sie haben das Bild des Stadtteils mit ihren Festungsanlagen sowie Kirchen und Kapellen maßgeblich geprägt.

Heute liegt hier das historische, politische und kulturelle Zentrum der Landeshauptstadt, in dem sich unter anderem das Rathaus, die Kunstakademie und die Kunstsammlung NRW befinden. Berühmt ist die Altstadt aber auch für ihre Fußgängerzone – und die sogenannte längste Theke der Welt, auf der sich auf einem knappen halben Quadratkilometer mehr als 300 Kneipen, Restaurants und Diskotheken ballen.

Sozialraumanalyse: Die höchste Bevölkerungsdichte, die meisten Ausländer

Beim Blick auf die Sozialraumdaten fällt auf: „Die Altstadt sticht soziodemographisch heraus, hier gibt es eine schwächere Sozialstruktur als in den anderen vier Sozialräumen“, sagt Stadtexperte Volker Eichener. 7,5 Prozent der Bevölkerung dieses Sozialraums leben in Hartz-IV-Haushalten. Das ist deutlich mehr als in den anderen Sozialräumen – gleichzeitig aber auch immer noch weniger als in der Stadt Düsseldorf insgesamt (12,9 Prozent).

Dass der Sozialraum 0102 vergleichsweise heterogen ist, zeigt auch der Ausländeranteil. Dieser ist mit 36,9 Prozent deutlich höher als in den anderen hier aufgeführten Sozialräumen (Oberkassel kommt nur auf 14,6 Prozent, die Carlstadt immerhin auf 26,9 Prozent). Auch den prozentualen Anteil in der Gesamtstadt Düsseldorf (22,3 Prozent) übertrifft dieser Wert deutlich.

Bemerkenswert ist auch: Während in der Landeshauptstadt insgesamt die meisten Ausländer Türken sind, stellen sie in keinem der fünf untersuchten Sozialräume die größte Gruppe. In Oberkassel und Golzheim ist die häufigste ausländische Nationalität japanisch, in Pempelfort und der Carlstadt italienisch und in der Altstadt spanisch. „Letzteres ist wohl vor allem auf die Gastronomie zurückzuführen“, erklärt Volker Eichener. Gleichzeitig sei es passend, dass in den wohlhabenden Stadtteilen viele Japaner wohnen. Diese seien oft wirtschaftlich erfolgreich, die japanische Diaspora in Düsseldorf sei zudem mit mehr als 6500 Personen eine der größten weltweit.

Außerdem sticht in der Altstadt die Bevölkerungsdichte hervor. Der Gastronomie- und Erlebnisstadtteil hat mit 5145 Bewohnern pro Quadratkilometer eine fast doppelt so hohe Dichte wie in Düsseldorf insgesamt (2925). Die Carlstadt kommt mit dem zweithöchsten Wert auf 3111 Einwohner pro Quadratmeter, in Pempelfort sind es gerade einmal 1823. Außerdem gibt es hier die meisten Ein-Personen-Haushalte von allen untersuchten Sozialräumen, die wenigsten Haushalte, in denen Kinder leben, und die niedrigste Wohneigentumsquote (3,4 Prozent). Und die Menschen in der Altstadt haben weniger Platz zum Wohnen als anderswo: 52 Quadratmeter sind es pro Person durchschnittlich, was aber immer noch mehr ist als in Düsseldorf insgesamt (41,9 Quadratmeter).

Urbaner Lebensstil trifft vor dem Uerige auf Tradition

„Man kann hier schön flanieren, ins alte Hafenbecken schauen und an den Kasematten spazieren gehen“, sagt Oliver van Lin. „Das ist gleichzeitig weltstädtisch und typisch Düsseldorf.“ Der 35-Jährige ist gebürtiger Düsseldorfer. Zur Tour de France hat er mit seinem DJ-Kollegen Slackie eine musikalische Aktion geplant.

Oliver van Lin in der Altstadt. Foto: Andreas Bretz

Oliver van Lin in der Altstadt. Foto: Andreas Bretz

Beim Grand Départ werden die „Strandpiraten“ zur zweiten Etappe gemeinsam mit Uerige-Chef Michael Schnitzler auf der Berger Straße eine Bühne aufbauen und dort elektronische Musik spielen. „Da trifft urbaner Lebensstil auf die Tradition des Uerige.“

Die Altstadt aus der Vogelperspektive. Foto: Andreas Endermann

Der Ausstieg an der U-Bahn-Haltestelle Heinrich-Heine-Allee ist für viele der Beginn eines Altstadt-Bummels. Foto: Andreas Endermann

Abschluss: Eine vertane Chance?

Die Analyse der fünf Sozialräume, die die Fahrer der Tour de France auf ihrer ersten Etappe passieren, zeichnet das Bild einer recht homogen wohlhabenden Stadt. Stadtforscher Volker Eichener zufolge spiegelt das auch das Image der Stadt wider: „Düsseldorf gibt sich gerne reich, als Stadt mit alten und neuen Prachtboulevards.“ Eichener zufolge geht der Plan, die Stadt von ihrer besten Seite zu zeigen, damit auf.

Laut Eichener erwartet sich die Verwaltung davon auch ein entsprechendes Publikum entlang der Strecke: „Schick, gut gekleidet, niveauvoll – schließlich ist Düsseldorf auch Modestadt“. Was dabei wegfällt, sind andere Stadtteile, ärmere Viertel, Großsiedlungen. „Stattdessen wird das elegante und herrschaftliche Bild einer alten Residenzstadt gezeigt“, sagt Eichener. Nur dass heute nicht mehr Fürsten flanierten, sondern die Fahrer der Tour ein modernes Defilée bildeten.

Damit lässt Düsseldorf aber gleichzeitig seine bunte und lebendige Seite außen vor. Von Stadtteilen wie Flingern oder Oberbilk ist auf der ersten Tour-Etappe etwa nichts zu sehen. „Die Exotik, das Bunte wird bewusst ausgeklammert“, sagt der Politikwissenschaftler. „Das ist eine sehr einseitige Darstellung der Stadt – die leider nicht das ganze Spektrum der urbanen Stärken der Landeshauptstadt zeigt.“

Das sieht Stadtsprecherin Kerstin Jäckel-Engstfeld anders: „Wir verstehen die beiden ersten Etappen als eine und denken, dass wir in vier Tagen des Grand Départ ein facettenreiches Bild unserer Stadt zeigen.“ Als Beispiel führt sie den Tour-Empfang auf – der findet am Freitag im Schloss Benrath statt. Beim Zeitfahren die gesamte Stadt abzubilden sei nicht möglich, sagt Jäckel-Engstfeld. Wie genau die Strecke zustande gekommen ist, verrät die Stadtsprecherin nicht. Die Stadt habe Vorschläge machen können, die letzte Entscheidung habe dann aber beim Veranstalter Amaury Sport Organisation gelegen.

Stadtforscher Eichener bleibt dabei: „Düsseldorf ist nicht nur Prunk und Protz, sondern auch multikulturell, bunt und dynamisch“, sagt er. „Es wäre sinnvoll gewesen, das auch auf der ersten Etappe der Tour zu zeigen.“

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Von Marlen Keß (Text)

Speziellen Dank auch an Clemens Boisserée (Programmierung), Vera Kämper (Redaktion), Phil Ninh (Design und Programmierung), Christina Rentmeister (Redaktion)


RP ONLINE, 23.04.2024

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