Negativ-Spitzenreiter bei den NO₂-Sündern in NRW war 2016 Köln – mit 63 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter im Jahresmittel, also im Durchschnitt. Auch 2017 liegt die Domstadt nach den vorläufigen Zahlen mit 62 Mikrogramm vorne. Düsseldorf (61,5 bzw. 58, je nach Methode) und Düren (60) lagen 2016 knapp hinter Köln. Essen und Dortmund (beide 51 Mikrogramm) sowie Bochum und Paderborn (beide 50 Mikrogramm) haben den Grenzwert 2016 ebenfalls deutlich überschritten.
Solche Grenzüberschreitungen sind eine Gesundheitsgefahr für die Menschen, die dort leben, sagt Barbara Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Universitätsklinik Düsseldorf. Es gebe Belege dafür, dass Atemwegserkrankungen häufiger dort auftreten, wo die Luft stark durch NO₂ belastet ist. Das Reizgas könne zudem bei Menschen, die ohnehin schon Asthmatiker sind, dazu führen, dass die Anfälle häufiger und schwerer werden. Senioren und Kinder sind besonders gefährdet: Ein Anstieg von zehn Mikrogramm NO₂ bedeuten eine 15 Prozent höhere Asthma-Quote unter Kindern, wie Untersuchungen in belasteten Regionen zeigen.
Alexandra Schneider und ihre Kollegen vom Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt am Helmholtz-Zentrum in München haben alle weltweit bekannten Studien zu Stickstoffdioxid ausgewertet: Sowohl bei kurzzeitiger Belastung mit NO₂ als auch bei einer Langzeitbelastung steigt demnach die Zahl der vorzeitigen Todesfälle. Auch Herzschwächen oder Schlaganfälle treten häufiger auf.
Diesel-Fahrverbot in den Städten: So gefährlich ist Stickstoffdioxid.
Video: Vanessa Martella & Dominik Jungheim
Die Europäische Umweltagentur geht in ihrem Luftverschmutzungs-Bericht davon aus, dass im Jahr 2012 in Deutschland 10.400 Menschen vorzeitig wegen NO₂ gestorben sind. „Oft haben die betroffenen Menschen durch eine Vorerkrankung ohnehin schon eine eingeschränkte Lebenserwartung. Diese wird durch eine NO₂-Belastung dann noch mal um einige Monate verkürzt“, sagt Schneider. Niedrigere NO₂-Werte seien dringend geboten. Denn auch unterhalb des Grenzwertes bestehe Gesundheitsgefahr.
Schauen Sie sich in unserer interaktiven Grafik an, wie hoch der NO₂-Wert in Ihrer Nähe ist: So hoch ist der NO₂-Wert in den NRW-Städten
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert daher einen Höchstwert von 20 Mikrogramm. „Schon drei Mikrogramm weniger oder mehr Stickstoffdioxid machen viel aus. Denn das bedeutet ja für ganz viele Menschen eine geringere oder höhere Belastung “, sagt Hoffmann.
Es gebe keinen Wert, ab dem die schädliche Wirkung von NO₂ beginne. „Alles ab Null aufwärts hat einen Effekt auf die Gesundheit“, sagt auch Schneider. „Der Grenzwert ist daher sehr willkürlich.“ Außerdem sei der Messwert je nach Standort der Stationen nur bedingt aussagekräftig. „Etwa wenn auf einer Straße viele alte Busse fahren, die Messstation aber um die Ecke auf einer weniger mit Bussen befahrenen Straße steht“, sagt der Heidelberger Umweltphysiker Denis Pöhler.
Die Messstation an der Corneliusstraße in Düsseldorf. Archivfoto: Andreas Endermann
Die Messstationen sollten an Hotspots aufgestellt sein, an denen auch viele Menschen den Emissionen ausgesetzt sind. Denn Ziel sei es, die höchsten Belastungen für eine Stadt zu ermitteln. Oftmals würden Hotspots vor allem in NRW nicht erfasst, kritisiert Pöhler. In vielen Städten gibt es außerdem gar keine Messstationen.
Zudem wird der Jahresmittelwert an einzelnen Tagen oder zu bestimmten Zeiten deutlich überschritten. Zwischen 17 und 20 Uhr liegen die NO₂-Werte in Düsseldorf zum Beispiel regelmäßig bei 60 bis 160 Mikrogramm. Auch im morgendlichen Berufsverkehr wird der Jahresmittelwert übertroffen.
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Viermal lag die NO₂-Konzentration im Jahr 2016 an der Corneliusstraße sogar bei mehr als 200 Mikrogramm. Dieser Wert darf nach der EU-Richtlinie 18-mal im Jahr überschritten werden.
Überschreitet eine Messstation zu oft im Jahr den Wert von 200 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft, muss die Stadt nach den EU-Richtlinien wegen der Gesundheitsgefahr Sofortmaßnahmen ergreifen.
Platz | NO2-Stundenwert | Uhrzeit | Datum | Station |
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Platz | NO2-Stundenwert | Uhrzeit | Datum | Station |
Grafik: Christina Rentmeister Quelle: Umweltbundesamt
Am 26. August 2016 um 14 Uhr erreichte Düsseldorf den höchsten Wert, der in diesem Jahr in NRW gemessen wurde: 262,1 Mikrogramm.Fußgänger und Radfahrer, die im Berufsverkehr an den Hauptstraßen unterwegs sind, werden also sehr hohen Stickstoffdioxid-Belastungen ausgesetzt. Zumal sie, wenn sie auf Radwegen oder Bürgersteigen fahren oder laufen, näher am Verkehr sind als die Messstationen. Die stehen meist einige Meter von der Straße entfernt und dürfen auf einer Höhe von bis zu drei Metern hängen.
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Das zeigen die Ergebnisse einer Messreihe der Umweltphysiker der Universität Heidelberg: Diese ergab für eine Fahrt durch die Düsseldorfer Innenstadt (Nord-Süd-Achse) einen mittleren Wert von 56,3 Mikrogramm pro Kubikmeter. Zur Mittagszeit, bei wenig Verkehr. Das Messgerät war dabei auf Kopfhöhe des Fahrradfahrers angebracht. „Die Autofahrer selbst sind aber nicht besser dran“, sagt Pöhler. „Die Lüftung saugt die Luft direkt am Auspuff des Vorausfahrenden ab.“
Ist jemand kurzzeitig einer so hohen NO₂-Konzentration ausgesetzt, hätten EKGs eine schlechtere Herzleistung angezeigt. „Passiert das selten, ist das nicht schlimm. Ist jemand aber täglich diesen hohen Werten ausgesetzt, kann das Entzündungen im Körper auslösen“, sagt Schneider. Dann werde die Gesundheitsgefahr irgendwann ernsthaft und könne zum Beispiel zum Herzinfarkt führen. Dennoch empfiehlt sie: In Deutschland sollte niemand vom Rad auf das Auto umsteigen, weil er Angst vor Stickstoffdioxid hat.„Der positive Effekt der Bewegung überwiegt gegenüber den Gesundheitsrisiken durch NO₂“, sagt Schneider.
Ein Fahrradkurier fährt zwischen Autos durch den Berufsverkehr. Archivfoto: Johannes Bornewasser
Auch in unseren Wohnungen atmen wir das Reizgas ein. „Wir können die Luft ja nicht aussperren“, sagt Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann. Sie rät dazu, extremen Situationen aus dem Weg zu gehen: nicht an stark befahrenen Straßen joggen, als Radfahrer oder Fußgänger auf weniger befahrene Straßen ausweichen, lüften außerhalb der Hauptverkehrszeiten. „Wirklich effektiv etwas gegen die Gefahr tun können wir aber nur, indem wir das Auto stehen lassen und selbst weniger NO₂ produzieren.“ ◼
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RP ONLINE, 17.12.2024